Piratenjäger. Markenschützer.
Christian Zierhut legt sich seit nunmehr 20 Jahren für mitunter weltbekannte Marken ins Zeug und gibt alles dafür, das Risiko seiner Mandanten zu reduzieren und die Markenleistung zu steigern.
Von gefälschten Baby Born® Puppen und Frisbee® & Hula Hoop, über sklavisch nachgeahmte Fahrzeugteile bis hin zu Modellcouture, Comic-Superhelden und Merchandise von Formel 1 und MotoGP-Weltmeistern.
In diesem Interview erklärt er, wie er Fälscher entlarvt – und warum sich ein Gespräch mit ihm lohnt.
Wie hat alles angefangen?
Ich bin 49 Jahre alt, habe in Würzburg studiert und beide juristischen Staatsexamen dort abgelegt. Wahrscheinlich hat alles schon im Gymnasium angefangen – ich war fasziniert davon, wie man mit dem BGB – in seinen abstrakten, allgemein geltenden Normen – nahezu jeden Fall lösen kann. Das fand ich faszinierend.
Meine Eltern führten Elektronikmärkte – und schon als Schüler auf dem Gymnasium war ich für einen Markt allein verantwortlich: Einkauf, Werbung, Personal. Ich war vertraut mit unternehmerischem Denken – und es gab auch diese Faszination für das Recht. Das Jurastudium war nur logisch.
Was treibt Ihre Leidenschaft für Gerechtigkeit an?
„Einer von zehn ist wirklich kreativ – die anderen neun kopieren.“
Ich weiß, wie es ist, wenn man etwas Eigenes aufbaut – und andere einfach abschreiben, abkupfern, Entwicklungskosten sparen. Das ist nicht akzeptabel. Ich kämpfe für die, die investieren – Zeit, Energie, Geld und Ideen.
Welche Grundsätze leiten Sie, wenn Sie als Anwalt Entscheidungen treffen, besonders in herausfordernden Situationen?
Werte wie Zuverlässigkeit und Loyalität sind für mich unverzichtbar. Gleichzeitig vertraue ich auf mein Gefühl für Menschen und Situationen. Mut gehört immer dazu: den Mut, Gewohntes zu hinterfragen, neue Wege zu gehen und Entscheidungen zu treffen, die nicht nur fachlich, sondern auch menschlich richtig sind.
Sie haben Ihre Kanzlei als Aktiengesellschaft gegründet – ein ungewöhnlicher Schritt im Anwaltsmarkt. Warum?
2002 war das tatsächlich ein sehr unkonventioneller Schritt – wir waren die erste „Anwalt-AG“, die in München überhaupt zugelassen wurde. Aber genau diese Struktur gab mir die Freiheit, meine Vision konsequent umzusetzen: unternehmerisch zu denken, innovativ zu arbeiten und eine Kanzlei zu formen, die mehr bietet als klassische Anwaltsstrukturen.
Dass ich 2003 dafür mit dem 1. Platz der „BJU Young Entrepreneurs“ ausgezeichnet wurde, hat mir gezeigt, dass Mut und neue Wege sich lohnen – gerade in einem Bereich, in dem viele Kanzleien lange an alten Modellen festhalten.
Was waren Ihre größten Meilensteine?
- Einer meiner ersten Meilensteine war die Gründung von UNIcomp – einem der ersten Computer-Direktvertriebe in Deutschland. Wir waren damals Pioniere und dominierten über Jahre hinweg den Markt in vielen deutschen Universitätsstädten. Diese unternehmerische Erfahrung prägt mich bis heute.
- Prägend war auch meine humanitäre Arbeit in Togo, Senegal und Gambia während der Ebola- und Coronakrise. Für die IOM und das Rote Kreuz stellte mein Unternehmen eigens entwickelte Geräte zur Wasserdesinfektion zur Verfügung. Sie wurden in Feldkliniken, Krankenhäusern und an den Flughäfen von Dakar und Banjul eingesetzt. Zuletzt haben wir sogar ein offizielles staatliches Mandat im Kampf gegen gefälschte Medikamente in Westafrika erhalten – ein Thema, das für die Bevölkerung dort lebenswichtig ist.
- Einer meiner persönlich intensivsten Meilensteine stammt allerdings aus meinen frühen Berufsjahren: Für einen kleinen deutschen Verlag stand ich einem Medienkonzern gegenüber, der im Vergleich wie Goliath gegen David wirkte. Am Ende konnten wir den Fall gewinnen. Dieser Erfolg hat mir gezeigt, dass Mut, Beharrlichkeit und eine klare Strategie selbst scheinbar ungleiche Kämpfe entscheiden können.
„Gegen Axel Springer zu gewinnen – das vergisst man nicht.“
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Ein Meilenstein, der meine Arbeit bis heute prägt, war der Moment, in dem markenrechtliche Durchsetzung nicht nur einzelne Fälle entschied, sondern ganze Branchen veränderte. Wir haben nicht einfach Fälschungen sichergestellt — wir haben gezeigt, was möglich ist, wenn man Markenschutz konsequent, mutig und strategisch denkt. Ganze Speditionshallen voller Body-Kits wurden für Rieger-Tuning beschlagnahmt; für KW Automotive ließen wir tagelang Gewindefahrwerke zerlegen, bis jedes patentverletzende Bauteil identifiziert und beschlagnahmt war. Diese Verfahren waren ein Wendepunkt: Sie haben deutlich gemacht, dass Nachahmung kein Kavaliersdelikt ist, sondern eine Bedrohung für Innovation. Rieger und KW haben damals den Mut gehabt, diesen Weg mit uns zu gehen. Das Ergebnis: Die Branche hat verstanden, dass Produktpiraterie Konsequenzen hat – und bis heute wagt es kaum jemand, in China gefertigte Nachbauten nach Europa zu bringen. Es war nicht nur ein juristischer Sieg, sondern der Beweis, dass konsequenter Markenschutz neue Maßstäbe setzen und Märkte nachhaltig verändern kann.
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Besonders prägend war meine Zusammenarbeit mit Precisport, der Generallizenznehmerin von Formel-1-Weltmeister Fernando Alonso und MotoGP-Legende Valentino Rossi. In diesem Umfeld stehen Marken für weit mehr als Produkte – sie sind emotionale Welten, globale Gemeinschaften und Identifikationssymbole. Hier ging es darum, diese Marken in ihrer Authentizität zu schützen und ihren Wert für die Zukunft zu sichern.
Ein Meilenstein war auch das Mandat „Ed Hardy“ – vermutlich das umfassendste Piraterie-Projekt, das Europa erlebt hat. Die Herausforderung war enorm: internationale Strukturen, digitale Märkte, weltweit koordinierte Fälschungsnetzwerke. Was daraus entstanden ist, war ein neues Verständnis davon, wie man Märkte analysieren, Störungen frühzeitig erkennen und komplexe Systeme nachhaltig bereinigen kann. Dieses Mandat hat unsere strategische Denkweise bis heute geprägt.
Zu meinen jüngeren Projekten gehören Maßnahmen für weltweit bekannte Marken wie Frisbee® und Hula-Hoop®, die Superheldenrechte von Stan Lee (POW!), BABY born®, die Frida Kahlo Corporation, Monchhichi und viele andere. Für diese Mandanten gelingt es uns, innerhalb kürzester Zeit ein präzises Marktbild zu erstellen – fast wie ein Röntgenbild –, das uns erlaubt, Entwicklungen vorherzusehen, Risiken zu identifizieren und proaktiv Maßnahmen einzuleiten.
Der Kern unserer Arbeit ist nicht nur der Schutz vor Fälschung, sondern das strategische Verständnis von Marken als lebendige Systeme. Wir denken Markenschutz ganzheitlich: international vernetzt, datenbasiert, vorausschauend und mit dem Anspruch, Märkte langfristig stabil zu halten.
Was genau macht ein Piratenjäger?
Wir finden Fälschungen. Ich klettere selbst in den Container – mit der Taschenlampe in der Hand, wenn nötig.
Was passiert bei Ihnen am Schreibtisch?
Wir prüfen Hinweise, recherchieren weltweit, entwickeln Strategien. Jeder Fall ist anders – das macht den Beruf spannend.
Welche Schutzrechte nutzen Sie?
Patente, Marken, Urheberrecht, Designs – aber entscheidend ist: frühzeitig schützen!
Gibt es eine „Königsstrategie“ im Markenschutz?
Eine einzelne Königsstrategie gibt es nicht – die Zukunft gehört integrierten Systemen. Markenschutz wird dann wirksam, wenn wir vorausberechnen, früh detektieren und präzise eingreifen. Deshalb denken wir in drei Zukunftsebenen:
1. Vorbeugend: Schutzräume schaffen, bevor Produkte und Märkte entstehen – durch strategische IP-Architekturen.
2. Entdeckend: Märkte in Echtzeit scannen – mit Monitoring, Datenanalysen und internationaler Vernetzung.
3. Repressiv: Intelligente Intervention, sobald Grenzen überschritten werden – juristisch, behördlich, technologisch.
Nur diese vernetzte, vorausschauende Kombination ermöglicht Markenschutz, der nicht mehr nur reagiert, sondern Entwicklungen antizipiert.
Liegt Ihr Fokus auf Europa?
Wir arbeiten international, aber Deutschland ist eine unserer stärksten Basen – rechtlich, wirtschaftlich und strategisch. Von hier aus entwickeln wir Maßnahmen, die weit über Europa hinauswirken. Unser Ziel ist klar: Plagiate stoppen, bevor sie den europäischen Markt erreichen – oder idealerweise, bevor sie überhaupt produziert werden. Dafür vernetzen wir Behörden, analysieren globale Lieferketten und setzen Maßnahmen an den Punkten an, an denen sie die größte Wirkung entfalten. Markenschutz endet für uns nicht an Grenzen – er beginnt dort, wo Märkte entstehen.
Was motiviert Sie?
Am meisten motiviert mich, wenn Mandanten spüren, dass sie wieder Kontrolle gewinnen – über ihre Marke, ihr Produkt, ihr Lebenswerk. Das ist der beste Moment.
Welche Entwicklungen werden den Markenschutz in Zukunft prägen?
Der Markenschutz der Zukunft wird stärker digital, global und datenbasiert sein. Risiken entstehen heute in Sekunden – und wir müssen sie nicht nur erkennen, sondern frühzeitig vorhersagen. KI-gestützte Analysen, internationale Kooperation und proaktives Handeln werden entscheidend sein. Marken sind heute Identität – und diese Identität zu schützen, wird in einer immer schnelleren Welt wichtiger denn je.
Das Interview führte Melanie Roth, Journalistin und Reporterin beim Bayerischen Rundfunk.